Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich funktioniert nicht
Mehr als 40 deutsche Unternehmen und Organisationen haben eine Vier-Tage-Woche erprobt, in der die Beschäftigten trotz reduzierter Arbeitszeit wie in einem Vollzeit-Job bezahlt werden. Hinter diesem Pilotprojekt, das im Februar begann und auf sechs Monate angelegt war, stehen die globale Initiative „4 Day Week“ und die deutsche Unternehmensberatung Intraprenör. Die wissenschaftliche Auswertung übernahm die Universität Münster.
Der Bericht zeigt, dass sich die Mitarbeitenden bei einigen beteiligten Organisationen stärker einbrachten, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren und kreative Ideen für eine effizientere Arbeit zu machen. Als eine sinnvolle Maßnahme wurde gewertet, die Anzahl von internen Meetings zu reduzieren und dadurch Zeit zu sparen. Insgesamt gab es die besten Bewertungen in kleinen Unternehmen im Dienstleistungsbereich.
Längst nicht alle teilnehmenden Firmen setzten in der Untersuchung auf das sogenannte 100-80-100-Modell, also 100 Prozent Bezahlung bei 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Produktivität. Tatsächlich reduzierte knapp die Hälfte der Teilnehmer die Arbeitszeit nur um bis zu zehn Prozent. Bei ihnen war beispielsweise nur ein halber Arbeitstag pro Woche frei. Größere Unternehmen in dem Projekt machten nur mit Teilbereichen mit und nicht komplett.
Befürworter der Vier-Tage-Woche argumentieren, dass die Beschäftigten weniger Stress hätten und somit zufriedener und produktiver würden. Familie und Beruf könnten besser in Einklang gebracht werden. Im Kampf gegen den Fachkräftemangel könnten Firmen zudem einen Vorteil haben, wenn sie deswegen mehr Bewerbungen bekommen.
Kritiker sagen hingegen, dass eine Vier-Tage-Woche zu einer kräftigen Lohnsteigerung führen würde, die sich die allermeisten Firmen nicht leisten könnten - ganz besonders nicht in der aktuell schwierigen konjunkturellen Lage. Hinzu komme, dass es wegen des demografischen Wandels immer weniger Arbeitskräfte gebe - eine Vier-Tage-Woche würde diese sich verschärfende Knappheit an Arbeitszeit insgesamt noch verschärfen.
Bei den Liberalen führt das Thema zu Kopfschütteln. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten zwar im Einvernehmen selbstverständlich vereinbaren, was sie möchten, sagt Reinhard Houben. Aber: „Einfach weniger zu arbeiten, führt nicht zur Bewältigung einer Krise.“ Gleicher Wohlstand bei Verringerung der Arbeitszeit funktioniere nur über eine Steigerung der Produktivität. „Dies ist in den letzten Jahren in Deutschland nicht geglückt - bisher ist noch keine wirtschaftliche Stagnation durch weniger Arbeit überwunden worden.“